Irgendwie war es surreal, als ich um 4.30 Uhr morgens am 17. Juni in die S-Bahn einstieg. In voller Radmontur und „bewaffnet“ mit meiner Zeitfahrmaschine befand ich mich in einem Abteil voller Party People, die gerade auf der Heimfahrt waren und bei meinem Anblick lautstarke Lieder anstimmten, in denen ich die Hauptrolle spielte. Bis zu meiner Haltestelle wurde ich dann noch mit neugierigen Fragen bombadiert. Kaum wieder in der Freiheit, entdeckte ich einige Mitstreiter mit Zeitfahrhelmen, die wie ich auf dem Weg zum Müggelsee waren, um sich um 7 Uhr in das 19 Grad warme Nass zu stürzen.
Nach kurzer Erwärmung auf dem Rad richtete ich meinen Wechselplatz ein und schlüpfte in meinen Neo, drei Leute (!) waren so freundlich, den Reißverschluss mit vereinten Kräften zu schließen. Das Unterfangen gelang und ich war pünktlich am Start.
Das Wetter hätte nicht besser sein können, ca. 20°C, leicht bewölkt und fast windstill. Die flache Rad- und Laufstrecke versprachen zusätzlich ein schnelles Rennen. Peng! Der Startschuss war gefallen. Ich startete meine Stoppuhr und sprintete hinter Daniel Schmidt her, der der das Feld anführte, wie bei einer Kurzdistanz. Nach dem sich dann das Tempo der Distanz anpasste, hielt ich mich zu 90% an seinen Füßen auf, nicht nur um Energie zu sparen, sondern auch, weil ich die wenigen kleinen Bojen kaum erkennen konnte und hoffte, dass Daniel dies besser gelang (Sorry dafür). Nach einem kurzen Landgang per Klimmzug auf einen Steg ging es in dem flachen Wasser mit Delphinsprüngen weiter, was den Puls ganz schön in die Höhe schießen ließ.
In der zweiten Runde entschied ich mich von vorne zu schwimmen und schwamm mehr nach Verdacht als nach visueller Orientierung. So schlecht kann es nicht gewesen sein, da ich mich etwas absetzte und als erster die Wechselzone enterte.
Danach ging es auf dem Rad immer hinter dem Führungsmotorrad hinter her, das die Straße für mich prima frei räumte. Mein Rad lief wie von selbst und es machte jetzt richtig Spaß. Kurzer Check der Zwischenzeit auf meiner Uhr. Meine Uhr? Wo ist meine Uhr? Offensichtlich hatte diese sich beim Schwimmen verabschiedet und fristet nun ein einsames Dasein auf dem Grund des Müggelsees. Vielleicht macht ja Jemand dort mal einen Tauchkurs und findet sie? Da ich auch sonst keine Elektronik mit mir führte, war ich nun also völlig orientierungslos. Kein Puls, keine Geschwindigkeit und keine Zwischenzeit. Mein Blindflug wurde durch eine Baustelle unterbrochen, die mich an das winterliche Crosstraining erinnerte. Welch eine willkommene Abwechslung! Auf dem Rundkurs angekommen, verließ mich das Motorrad und ich musste ganz alleine die 6 Runden zählen. Aber zählen ist ja eine besondere Stärke von mir und so begab ich mich regelkonform dann auch wieder auf den Heimweg zur Wechselzone. Bis Kilometer 160 war alles noch Easy und ich konnte drohende Energiedefizite mit unzähligen Gels und isotonischen Getränken ausgleichen. Dann zum ersten Mal das Gefühl von Schwäche, das nicht mehr mit Zuckerzufuhr zu bekämpfen war. Vielleicht lag es auch an dem Bienenstich, den mir ein angriffslustiges Insekt wenige Minuten zuvor in den Oberschenkel schmerzhaft verabreicht hatte? Zurück in der Wechselzone war ich überrascht, als mir der Sprecher eine Zeit von nur 4:40 Std. zusagte. Kurz zweifelte ich an meinen Rundenzählerqualitäten, dann folgte der Wechsel zum Laufen. Die Beine meldeten meinem Großhirn dann, dass sie gar nicht mehr so frisch seien, aber sich dennoch auf eine andere Art der Belastung freuten. In der ersten Laufrunde hatte ich höllische Schmerzen im Lendenwirbelbereich, die sich zum Glück in der zweiten Laufrunde etwas auflockerten. Ein kleiner Plausch mit dem Führungsfahrradfahrer war da eine willkommene Ablenkung. Vielen Dank an dieser Stelle an Martin und Lina, die mich tatkräftig unterstützten und über die Strecke „peitschten“. Bis zur dritten Runde lief es ganz gut und meine Rundenzeiten waren sehr konstant. Dann wurde es allmählich schwieriger und die Quadriceps schmerzten.
Wenig später kamen die beiden Sub-3h-Läufer Holger Leidig und Michael Mynster an mich heran und zogen vorbei. Bei Km 35 hatten sich dann alle meine Hauptantriebsmuskeln verabschiedet und ich war nicht mehr so sicher, ob der Reserveantrieb der Hilfsmuskulatur zum Durchlaufen reichte. Also, jetzt bloß nicht die Technik verschleppen. Die Vorfreude auf das Ziel wuchs mit jedem Kilometer und erreichte gigantische Ausmaße. Und dann war es da bzw. ich war da und zwar mit einer Zielzeit, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. So platt die Beine nun waren, so sehr freute ich mich auch über den 3. Platz.