Ein Konferenzbesuch im September 2014 in Portugal, Coimbra, verlockte, dies mit ein paar Urlaubstagen zu verbinden. Der nördliche Landesteil hatte mein Interesse aufgrund der Naturparks und des geringen Tourismusaufkommens geweckt. Zunächst reiste ich mit dem Bus von Coimbra über Porto nach Braga, beides sehr hübsche Städte, die durch die wellige Topografie und dem vielen Grün etwas an Südfrankreich erinnern. In Braga wartete ein Miet-Mountainbike auf mich, das ich mir zu einem Hostel hatte liefern lassen.
Nach dem Klamottentausch – Anzug gegen Radklamotten – und dem Bike-Setup ging es per Zweirad nach Gerês, ca. 40Km entfernt. Diese Strecke hatte es aufgrund der Höhenmeter, des Gepäcks und meiner Navigationskünste in sich. Insgesamt benötigte ich 3,5h und kam gegen 22 Uhr, ausreichend mit Licht ausgestattet, in meinem Hostel an.
Der nächste Tag war leider total verregnet und ich entscheid mich per Pedes die Gegend zu erkunden. Mein Hostel befand sich direkt zwischen zwei Bergen, in denen sich ganz ordentliche Regenwolken stauten.
In den vier verbleibenden Tagen wurde das Wetter allerdings wesentlich besser, so dass ich die Berge mit dem MTB erklimmen konnte. Die Kuppen befinden sich alle noch unter 1000m. Gegenüber den Alpen kommt man also relativ schnell rauf und wieder runter. Dies ermöglicht es, mehrere Pässe hintereinander zu fahren, ohne sich völlig abzuschießen. Vorteilhaft empfand ich gegenüber den Alpen die geringen Temperaturunterschiede zwischen Berg und Tal. Kurz-Kurz war angesagt, ohne weiteren Ballast. Die Anstiege haben es jedoch in sich, denn Serpentinen kennen die Portugiesen nicht. Das dritte Kettenblatt fand ich definitiv sinnvoll. Neben den gut asphaltierten Straßen, gibt es auch viele Sandwege, sprich MTB-Pfade, und Treckingrouten.
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Die Landschaft ist atemberaubend schön, weil alles grün ist, wenig Menschen unterwegs sind und keine Industriegebiete weit und breit sind, Natur pur also. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn man beim Mountainbiken 3h lang keinen Menschen trifft oder hört. Ein paar Mal habe ich mich auch im Trail-Running versucht, was auf den Wanderpfaden eher in Trail-Climbing ausartete. Auch die Straßen lassen das Rennradherz höher Schlagen. Ein Wunder, dass so wenig Radfahrer unterwegs sind. Ich wurde übrigens kein einziges Mal angehupt, stattdessen kamen die Leute auf mich zu und wollten helfen, wenn ich mal wieder mit dem Handy-Navi am Straßenrad stand
Das Beste in Gerês und Umgebung sind die allgegenwärtigen Früchte, allen voran die Weinbeeren! An den Wegen reiht sich ein Wein- und Obstbauer an den nächsten. Es ist kein Problem, eine Tagestour ohne eigene Verpflegung oder Flüssigkeit zu starten, denn das Obst hängt oft so über die Zäune hinweg, dass man es nur greifen braucht, manchmal ist es auch gänzlich ungesichert ohne landwirtschaftliche Nutzung, also einfach wild gewachsen ohne Pflege.
Es gibt so viel Wein, dass ein paar hundert Touristen auch durch größte Fressorgien es nicht schaffen, nennenswerte Bestände zu konsumieren. Neben den dunklen Weinbeeren gibt es sehr viele Brombeersträucher und dann noch Pfirsiche, Nektarinen, Zitronen, Orangen, Äpfel, Birnen, … Yummy! Dazu kommen zahlreiche Bergquellen mit allerbester Wasserqualität.
Gerês besitzt auch ein Seengebiet, an dessen zentraler Stelle Funsport auf dem Wasser angeboten wird und Motorbote Ihre Kreise ziehen. Dagegen befinden sich in den Seitenarmen praktisch menschenleere Strandbuchten mit sehr klarem Wasser, dass eine angenehme Temperatur hatte, kein Vergleich zum Ankogelbad. Einmal bin ich 1:45h geschwommen und habe keinen Menschen getroffen.
Am letzten Tag plante ich meine längste Etappe von Gerês nach Vigo (Spanien), das den nächstgelegenen Flughafen besitzt. Google Maps kalkulierte 100Km, leider kein Höhenprofil. Um meinen Flug um 17:40h zu erreichen, wollte ich bereits um 6:30 Uhr aufbrechen, wurde allerdings kurz von einer versperrten Hosteltür aufgehalten, hinter der sich mein Rad befand. Um 7 Uhr ging es dann los und ich startete mit einer anspruchsvollen Bergüberquerung, bei der mir plötzlich ein riesiges Rindvieh mit spitzen Hörnern den Weg versperrte. Jetzt bloß nicht provozieren, dachte ich. Als ich vorbei war, wurde meine Hoffnung auf flacheres Terrain schnell zerstört. Dafür bewunderte ich die abwechslungsreiche, atemberaube Landschaft. In der Mittagshitze floss der Schweiß an den Anstiegen dann in Strömen. Nach einem längeren wunderschönen Downhill bemerkte ich, dass ich vom Kurs abgekommen war und schindete mich über steilste Rampen vorbei an kleinen Dörfchen wieder auf Kurs. Ich musste dann lernen, dass nicht immer alle Wachhunde angeleint oder eingezäunt sind und dass der Spruch „Hunde, die Bellen beißen nicht“, nicht der Wahrheit entspricht. Mit einer glücklicherweise nur leichten Bissverletzung konnte ich meinen Weg fortsetzen. Trotz der Umstände war ich gut in der Zeit, dachte ich jedenfalls. Was ich bei meiner genialen Planung völlig außer Acht gelassen hatte, war die Tatsache, dass sich beim Grenzübertritt von Portugal nach Spanien die Zeitzone ändert, auch wenn man sich nach Nord-Westen bewegt. Plötzlich war es also 16 Uhr als ich das bemerkte. Ich erhöhte die Intensität auf den letzten 10Km, die zu meiner Freude auch noch teils steil bergan verliefen. Eine Stunde vor meinem Flug gab ich mein Rad beim Flughafenhotel ab und kam genau rechtzeitig zum Check-In. Wenn das mal keine optimale Zeitausnutzung war :-).
Hendrik Grosser