Mitte September 2016: Dutzende Triathleten des TuS Neukölln Berlin jagten in Cottbus die Umgehungsstraße rauf und runter. Zur gleichen Zeit reiste Elke nach Mexiko. Auf der Karibik-Insel Cozumel startete sie bei den Altersklassen-Weltmeisterschaften auf der Kurzdistanz und im Aquathlon.
Was sie erlebte und wie es ihr sportlich erging, schreibt sie hier:
Von der Haustür in Berlin bis zum Hotel im „Casa del Mar“ in Cozumel benötigte ich locker 23 Stunden. Flug Berlin – Frankfurt/M, Frankfurt/M – Cancun, weiter mit dem Bus bis zur Fähre in Playa del Carmen, rauf auf die Fähre und auf der Insel angekommen wieder mit einem Bus bis zum Hotel. Dass der Radkoffer beim ständigen Umsteigen ein lästiges Gepäckstück war, versteht sich von selbst.
Frieden wäre so einfach
Das Beeindruckendste bei einer gut organisierten Weltmeisterschaft ist immer wieder die Eröffnungsfeier mit dem Einmarsch der Nationen – und es war eine gute Organisation!
Dieses, nur schwer beschreibbare Gefühl, ein kleines Teilchen der 1700 Triathleten aus über 75 teilnehmenden Ländern zu sein, bleibt immer in Erinnerung. Da trifft man wieder gute alte Freunde und schließt neue Freundschaften. Ich wünschte, auch die Politiker der teilnehmenden und die aller anderen Länder hätten das gleiche Gefühl und sie würden es leben: Freundschaft, Respekt, Gemeinsamkeit, Achtung und Toleranz.
Das doppelte Brownlee-Drama
Die Tage des Wettkampfes waren durch das extreme Klima (35° bei hoher Luftfeuchtigkeit) hart. Viele Triathleten – ob Profi oder Altersklasse – erreichten nicht oder nahe der Ohnmacht das Ziel. Befragt im Ziel: „Na, und wie geht’s ?“,hätte sich jeder gern eine Stunde Aufenthalt im Kühlschrank gewünscht. Andere, die einen Doppelstart geplant hatten, verzichteten schweren Herzens schon vorher auf einen Start.
Auch den fast unbesiegbaren Brownlee`s erging es ganz bitter. Der eine dehydriert, kurz vor dem Ziel so gut wie sicher auf Platz eins laufend. Der Bruder nimmt ihn, schultert und schleift ihn ins Ziel. Damit hat er sehr wahrscheinlich seinerseits auf den Titel verzichtet. Die tausenden Zuschauern waren wie gelähmt und fassungslos was da passierte. Einmalig, großer Respekt ! Den Brownlee`s blieben Silber und Bronze.
Dann aber kamen die Fragen. Das Handeln war menschlich absolut richtig und nachvollziehbar. Die Wettkampfregeln verbieten aber Helfen, Schieben und aktives Unterstützen beim Radfahren und Laufen. Disqualifikation für Einen von Beiden hätte die harte Entscheidung sein müssen. Sie wurde nicht ausgesprochen. Die Diskussionen darüber waren kontrovers.
Mittwoch – Hitzeschlacht beim Aquathlon
Doch zurück zu den Altersklassen und mir. Es war auch für mich eine echte Schinderei, aber ich gehörte zu den noch ziemlich aufrecht laufenden Finishern! Trotz der hochpreisigen Startgebühren entschied ich mich bei dieser WM auch beim Aquathlon (2,5km Run-1km swim-2,5 km Run) zu starten. Dieser stand am Mittwoch, den 14.09.16 an. Zudem sah ich es auch als Experiment an, ob ich trotz der relativ kurzen Belastung noch gut erholt und erfolgreich die Kurzdistanz am folgenden Sonntag finishen könnte.
Aufgeregt ging es am Mittwochmorgen zum Aquathlonstart. Noch ein schnelles Foto mit dem Olympiasieger Alistair Brownlee erhascht, musste ich bis zum Start ca. 2 h warten.
Gegen 09.30 Uhr fiel endlich der Startschuss und ich rannte mit meinen Konkurrentinnen aus aller Welt los. Der erste Part lief trotz der schwülen Hitze ganz gut, so dass ich im vorderen Mittelfeld in das glasklare, karibikblaue und sehr warme Wasser sprang und den 1 km im Dreieckskurs so schnell wie möglich zurücklegte. Danach kam ich aus dem Wasser und merkte sofort, wie schwer mir das Laufen fiel.
Das Badewannenwasser hatte nicht nur mir zugesetzt, auch die Anderen hatten zu kämpfen. Auf der Laufstrecke wollte ich nur noch durchkommen. Da können 2,5 km wieder lang erscheinen. Auf dem letzten Kilometer hatte ich mich gefangen, so dass die letzten 200 m nochmal beschleunigt habe. Leider hatte ich mich beim Standort des Ziels verschätzt. Es warteten noch zusätzliche Meter und mein Kopf spielte nicht mehr mit. Erschöpft kam ich ins Ziel, war aber trotzdem zufrieden. Mehr ging nicht. Es war alles in allem eine wertvolle Erfahrung für die anstehende Kurzdistanz. In der Eistonne mit einer Medaille um den Hals war ich letztendlich zufrieden und glücklich.
Sonntag – Kurzdistanz: Badewanne, Sauna, Eistonne
Noch drei Tage bis zum Hauptwettkampf Kurzdistanz. Diese Tage wurden zur Erholung bei Karibikflair, Anfeuern der deutschen AK-Athleten bei der Sprintdistanz, Sightseeing und das Verfolgen der Eliterennen von Männern und Frauen genutzt. Samstag früh erfuhr ich per Whatsapp, dass unsere Regiomädels in Cottbus den 1. Platz errungen haben, was mich sehr freute und gleichzeitig motivierte.
Die Sonne war am Sonntagmorgen noch nicht mal aufgegangen, da tummelten sich in der Riesenwechselzone Agegrouper um ihre Bikes startklar zu machen und sich auf den Start vorzubereiten. In meiner AK starteten 70 Frauen aus aller Welt und ich vertrat als Einzige Deutschland. Bei dieser schwülen Hitze zu starten, war für mich absolut Neuland und dementsprechend musste ich gerade beim Laufen taktisch vorgehen.
Sehr aufgeregt stand ich in meinem Startblock und nach ein wenig Warten, kam das Kommando:“Everybody spring in the Water“ Alle Athletinnen im Wasser mit der einen Hand an der Startrampe festhaltend, kam dann pünktlich um 07.28 Uhr das erlösende Startsignal: „On your Marks“ , das Horn ertönte und die Post ging ab.
Der Schwimmstart verlief optimal. Das Feld zog sich auseinander. Ich befand mich im vorderen Mittelfeld. Auf der letzten Gerade des Schwimmkurses sah ich, wie die Führungsgruppe meiner AK einfach geradeaus zum Ausgang schwamm und die letzte Boje ausließ. Als ich dort ankam, wies uns ein Kajak den richtigen Weg zur letzten gelben Boje. Ich dachte mir, die anderen Athletinnen werden dementsprechend eine Zeitstrafe kriegen oder sogar disqualifiziert.
Als ich aus dem Wasser kam, wusste ich, dass mir das Laufen schwer fallen würde. Nur jetzt durfte ich aufs Rad steigen, mein Lieblingspart. Ich nahm mir vor, mich beim Rad wegen der Hitze nicht ganz zu verausgaben. Auf dem Rad gab ich Gas. Es gab keinen kühlenden Fahrtwind. Die Windschattenkontrolle war aus meiner Sicht eher bescheiden.
Der Radkurs verlief 20 km an der Küste entlang und dann ging es 20 km flach zurück. Auf dem Rad lief es gewohnt gut. Nach dem Wechsel lief ich verhältnismäßig langsam an, um zu sehen, wie ich klar komme. Die erste Runde fühlte sich gut an, ich konnte noch zwei Athletinnen meiner AK einholen. Auch das Anfeuern durch unsere deutschen Agegroupern Günter, Helmut und Rainer half mir auch die zweite Runde, die dann schon wesentlich schwerer ging, durchzuhalten.
Gerade die letzten zwei Kilometer waren hart. Schwere Beine, die drückende . Leider konnten mich noch drei Athletinnen meiner AK einholen. Ich wollte einfach nur noch ins heiß ersehnte Ziel. Der Einlauf war dann erlösend. Geschafft, aber sehr erschöpft und unterstützt durch Helfer begab ich mich mit meiner fetten, schönen Medaille um den Hals in die Eistonne.
Schwimmstrecke nachträglich gekürzt
Am Nachmittag verfolgte ich das Eliterennen der Männer: Am späten Abend erfuhr ich, dass ich den 23. Platz errungen hatte. Die ITU hatte sich ungerechterweise dafür entschieden, die Schwimmstrecke für alle auf 1250 m zu verkürzen. Die Athletinnen, die die letzte Boje ausgelassen haben, hatten also keine Zeitstrafe bekommen bzw. wurden nicht disqualifiziert.
Am Frühstückstisch wurde darüber nochmals diskutiert. Auch hier wurde klar, dass Nichtstarter (Begleiter/innen) unserer deutschen Delegation das gleiche Phänomen bei anderen Altersklassen beobachten konnten. Es war ärgerlich und für eine WM nicht nachvollziehbar.
Trotzdessen bin ich stolz darauf, was ich in Mexico geleistet habe. Im Vergleich zu der WM in Chicago 2015 lief es wesentlich besser.
Das Leiden der Profis
Stolz konnte auch Laura Lindemann sein. Bei der U23 wurde sie Weltmeisterin. Die Siegerehrung msste allerdings verschoben werden! Im Ziel wurde sie ohnmächtig musste für einen Tag an den Tropf. Unsere anderen Profis hatten dieses Problem nicht, Justus Nieschlag als bester Deutscher kam auf Platz 18. Bei den Frauen belegte Anja Knapp den 20. Platz. Reinhold Häusslein, Vizepräsident des DTU-Leistungssports hatte schon einmal weniger Sorgenfalten im Gesicht.
Wobei die Frage gestellt werden könnte, ob eine solche Weltmeisterschaft wirklich an diesem Ort, zu dieser Zeit und bei diesem extremen Klima Sinn macht. Die Fußballer werden bei ihrer nächsten Weltmeisterschaft wohl Ähnliches erleben.
Kultureller Abstecher
Täglich stand leichtes Training auf dem Programm. Einen freien Tag haben wir genutzt und sind mit der Fähre zurück aufs Festland, dort buchten wir ein Auto und schauten uns – wenn man schon im Land der Maya ist – deren Ruinenstätten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, an. Es war sehr schön, beeindruckend und interessant.
Bleibt das Fazit: Es war eine tolle und erlebnisreiche Weltmeisterschaft, hervorragend organisiert und ausgerichtet. Auch unser Hotel war auf Triathleten sehr gut eingestellt und vorbereitet. Die Stimmung sehr gut, das Wetter hingegen beeinflusste die Ergebnisse in starkem Maße, wie auch die großzügige Auslegung der internationalen Wettkampfregeln zu Gunsten der Athleten des Gastgebers.
Na dann ! 2017 auf nach Rotterdam !