Nach dem zufrieden stellenden Saisonstart sollte Anfang Juni der vorläufige Höhepunkt, eine Halbdistanz in Hyères, stattfinden. Mit dem zweifachen Olympiateilnehmer und einstigen X-Terra-Weltmeister Olivier Marceau hatte sich erstklassige Besetzung angekündigt.
Als Generalprobe hatte ich ursprünglich den St.Laurent-du-Var-Triathlon über die olympische Distanz (26.5.) vorgesehen. Am WK-Ort bestätigte sich dort das hartnäckige Gerücht, wonach aus einem Tri- ein Duathlon gemacht werden musste. Anders als bei den vielen WK im deutschprachigen Raum hatte dies bei knackigen 25 Grad keine wetter-, sondern umweltbedingte Gründe. Der Strand von St. Laurent befindet sich nämlich direkt am Zufluss des Var, welcher aus den Alpen ins Meer fließt. Als Bergfluß ist der Var grundsätzlich sauber, fließt aber kurz vor der Mündung durch ein Gewerbegebiet. Dort hatte er sich ein gesundheitsbedrohliches Bakterium eingefangen, so dass der Bürgermeister das Baden im Meer verbot – auch das schnelle Wettkampfbaden.
Um den Zeitplan einzuhalten, wurde der kurze Lauf an den Beginn gestellt und ein Dua über 5-38-10 abgehalten. Deutlich härter als anders herum, muss ich sagen, da man die 5 naturgemäß schneller läuft und auf 10 hinten raus länger leidet. Während ich grundsätzlich von Duas eher profitiere, war dies hier nicht unbedingt der Fall, denn es hatten zwei Mann gemeldet, die mich beim Dua am 5.5. geschlagen hatten, dann beim Tri am 12.5. aber hinter mir gewesen waren.
Sie sollten auch hier meine stärksten Widersacher werden. Als 5. kam ich vom ersten Lauf und wechselte (oh Wunder! Manch einer hat vielleicht noch in Erinnerung, wie ich 2011 mal beim Kondiusman in der Wechselzone hingeknallt bin) am Schnellsten, so dass ich als 2. los fuhr. Diese Position konnte ich auf der anspruchsvollen Radstrecke halten, die ich zum Glück von meinen Ausfahrten bestens kannte. Immerhin ein 5km langer Anstieg mit 5% Steigung war darin enthalten – für hiesige Verhältnisse noch eine flache Strecke.
Im abschließenden Lauf musste ich noch einen Konkurrenten ziehen lassen und litt doch sehr. Duathlons sind oft härter als Triathlons, finde ich. Platz 3 und schicker Einteiler waren aber eine sehr gelungene Belohnung und Generalprobe für den Tri.
Die Strecken des Half-Ironmans erfüllten mich schon mit Respekt, denn immerhin beinhaltete die 93km-Radstrecke satte 1.500hm, darunter zwei je 10km lange Anstiege – der erste mit 7 und der zweite mit 4% Steigung. Für Flachlandtiroler aus Berlin war das gewissermaßen ein Bergtriathlon. Dazu 2km Schwimmen im offenen Meer und 21km am Strand, zu großen Teilen durch den Sand!
Konkrete Zielvorstellungen hatte ich nicht. Sauber durchkommen und Top10 vielleicht. Nach Hektik am Start und einem nicht ganz unwesentlichen Riss meines Neos in Schrittnähe war die Stimmung auch nicht unbedingt auf Höchstleistung getrimmt, aber „Jammern hilft nix“ sagte damals mein Betreuer bei der Musterung im Kreiswehrersatzamt.
Bei 15 Grad Wassertemperatur machte sich das Loch schon bemerkbar, auch wenn es über dem Oberschenkel war und nicht sehr viel Wasser hineinließ. Es hatte doch immerhin 20 cm Durchmesser. An der ersten Boje bekam ich Schläge wie noch nie zuvor. Gefühlte 30s Stillstand später musste ich schon richtig reinhauen, denn vor mir tat sich eine Lücke auf. Der Stress lohnte sich: Ich erhielt Anschluss zur zweiten größeren Gruppe und kam als 38. aus dem Wasser, fast zeitgleich zur Top 20. Von meiner Schwimmzeit von 28:20min war ich hellauf begeistert, zumal sich drei Jungs meiner Nizzaner Vereins um mich herum befanden, die normalerweise vor mir oder sogar auf der schnelleren Bahn schwimmen. Ein erfreutes „Hallo Jungs, bin auch schon da“ konnte ich mir beim Wechseln nicht verkneifen.
Ab ging es aufs Rad! Im flachen wollte ich zunächst drücken und mich etwas vorarbeiten. Das gelang auch, aber nach ca. 15km kamen fast 15 Mann von hinten an mich heran. Manche fuhren fair, andere weniger. Da die Straßen eng und kurvig waren, kam irgendwie keiner mehr so richtig weg. Diese Situationen sind immer doof und gut zugleich: Einerseits sparst du automatisch Kraft, andererseits weißt du nie, wie du dich verhalten sollst. Vorne fahren ist einfach dumm. In der Mitte meist illegal. Und hinten riskiert man, zu verpassen, wenn dann doch mal attackiert wird. Bis zum ersten Berg, der ca. nach 40km los ging, gab es aber eine Art Nichtangriffspakt. Ich dachte mir, dass ich bergauf einen Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten haben würde und wollte dort einen Vorsprung erarbeiten, um bergab (meine Schwäche!) nicht abreißen zu lassen.
Gesagt, getan! Gemeinsam mit 3 Jungs konnte ich mich absetzen. Der Anstieg wollte und wollte nicht enden. Das war mal eben ein „Sa Calobra“ (für die Malle-Fans) mitten im Triathlon. Aber es reichte, um uns einen großen Vorsprung rauszufahren und einige Einzelkämpfer einzusammeln. Bergab gab ich dann auch das Tempo vor. Ich mag es nicht sonderlich, wenn ich runter direkte Verfolger im Nacken habe, aber es ist allemal besser, als wenn sie einem wegfahren. Die Abfahrt war sehr technisch, die Straßen eng, schlecht asphaltiert und rutschig. Ein ums andere Mal hörte ich die Sirenen des Rettungswagens. So blieben viele dann doch sehr vorsichtig. Lediglich Kami und Kaze und überholten mich auf den letzten Metern. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gewichtsklasse 90+ hätten sie wohl schlicht nicht langsamer gekonnt und waren mit Blick auf den letzten langen Anstieg sowie den HM auch keine allzu große Gefahr.
Als auch der zweite Berg geschafft war, nahm ich etwas raus und freute mich auf den Belastungswechsel. Als 13. stieg ich vom Rad und hatte bald eine lange Perlenschnur von Athleten vor mir. Ich rannte hart an und lag schon bei der Wende der ersten 10,5km-Runde auf Rang 6 und an ihrem Ende auf Platz 4. Vorne drehte ein Schweizer seine einsamen Runden, noch weit vor Landsmann und Topfavorit Marceau. Der Dritte hielt dort eine Weile mit, brach dann aber total ein. Zwischen KM 11 und 16 verkürzte ich meinen Rückstand zu ihm von fast 6 auf unter 3min. Das machte mir Mut! Das Podium war noch möglich! Wenn nur nicht die Beine so schwer wären… der Nächste hinter mir kam näher, ein unglaublicher Typ aus meinem Verein im stolzen Alter von 47 Jahren!
Das Muffensausen und die Konkurrenz am Horizont trieben mich noch mal an. Bei KM 20 übernahm ich die dritte Position. Mir wurde klar: In diesem Feld aufs Podium, das wird dein größter Erfolg bisher! Außerdem war ein saftiges Preisgeld darauf ausgeschrieben… völlig breit rannte ich in den Tunnel ein und behielt meinen Platz! Nur 2min nach dem Zieleinlauf wieder Interview und “ une belle figure“ machen, das war nicht leicht. Noch nie hatte mich ein WK so ausgepowert und gefordert – physisch und psychisch. Mit dem 38. Schwimm-, dem 13. Rad- und dem 8. Laufsplit war es am Ende die Konstanz, die mir in die Karten spielte.
Einige Stunden später wurde ich dann sogar noch auf Platz 2 vorverschoben, denn der ursprüngliche Sieger hatte wohl eine Trinkflasche auf das Jurymotorrad geworfen und war disqualifiziert worden. So durfte ich neben Ex-Weltmeister Marceau, der kommende Wochen zu den Favoriten des IM Nizza gehören wird, das Podium betreten. Das war schon wirklich was Besonderes.
Die WK-Saison findet ihre Fortsetzung im Juli in der Heimat!
Grüße
Matze