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Regionalliga

Überlebenskampf an der Ostsee – Das Chaos von Warnemünde

By 23. August 2012Februar 4th, 2014No Comments
elke rostock100_2548.jpg - 2.61 Mb
Keinen Startplatz für Kallinchen mehr erwischt, entschied ich mich kurzfristig für ein Wochenende an der Ostsee inklusive Teilnahme am 30. Rostocker Triathlon (11.08.12), einer der ältesten Veranstaltungen in ganz Deutschland (seit 1983!). Wer Warnemünde kennt, weiß, dass mondänes Flair und beeindruckende Meereslage zu sportlichen Leistungen motivieren. Wer den Ort jedoch schon mal an einem Hochsommerwochenende erlebt hat, weiß auch, wie viele Menschenmassen dort entlang schlendern… Ein ungutes Gefühl beschlich mich bereits beim Aufwärmen: Die Promenade, wo das Radfahren stattfinden sollte, war noch ziemlich übervölkert und v.a. die Laufstrecke „am Alten Strom“, einer Fress- und Flaniermeile, ließ eigentlich auch für Fußgänger nur Stop&Go zu. Naja, die werden das noch freiräumen, dachte ich und lief mich in 1km Entfernung in einem kleinen und verlassenen Park ein.
Während ich eine Woche vor Jena nur über die Sprintdistanz (500-20-5) startete, hatte sich Elke, die mich in der Wechselzone unterhalb des Leuchtturms begrüßte, über die schwimmverkürzte olympische gemeldet (1,1-40-10).
Als Elkes OD bereits lief (beide WK schwammen im alten Strom, der Sprint wendete einfach früher), machte ich mich erstmals mit Salzwasser im WK vertraut. Gutes Einschwimmen war trotz Neo und 33 Grad Außentemperatur nötig, denn das Wasser hatte nur 18 Grad. Leider ließ man uns ziemlich lang hinter der nicht erkennbaren Startlinie warten und trotzdem sollten wir noch auf die Letzten der OD aufschwimmen. Die Strecke schien mir ein gutes Stück zu lang, aber mit Rang 4 war ich zwischenzeitlich doch sehr zufrieden. Ich hievte mich die weit voneinander entfernten Leitersprossen hoch und rammte mir auf dem Weg zum Rad gleich mal ne Scherbe in den Fuß. Beim Versuch, diese zu entfernen, kam der gewohnte Wechselablauf so durcheinander, dass ich fast Startnummer und Helm vergessen hätte. Dies sollten nicht die letzten Schrecksekunden gewesen sein…
Die Promenade hatte man tatsächlich frei geschafft, dafür wurde die scharfe und schlecht asphaltierte Kurve raus auf die Hauptstrecke nicht markiert. Dort wäre ich fast das erste Mal abgeschmiert. Durch die ungeschickte Logistik (OD 20min vor SD gestartet), entstand dort dann sofort Stau. Eine Sperrung gab es nicht. Die Autos wurden von den langsamen Radlern der OD aufgehalten und hielten ihrerseits die schnellsten Sprinter auf. Immer wieder musste man sie einfach mit Risiko links überholen und dabei auf die Gegenfahrbahn ausweichen oder auch mal rechts auf den Gehweg. Das tat ich immer öfter und musste doch mehr als ein Dutzend mal aus voller Fahrt abbremsen und einige hundert Meter rollen lassen. Es gab eine brenzlige Situation nach der nächsten. Ausparkende Autos, aufgehende Türen. Es war, als wollte man in der Rush Hour auf dem Ku’damm ein Radrennen durchführen. Spaß machte es schon längst nicht mehr. An der Wende kam mir niemand entgegen. Ich musste also die Führung übernommen haben. Jetzt hatte ich zumindest ca. 5km niemanden vor mir, denn die ODler waren ja noch weiter gerade aus zu ihrer Wende gefahren. Tatsächlich kam 5km lang sowas wie „Fahrtgenuß“ auf, doch der Höhepunkt kam noch. Im Ort Warnemünde standen jetzt in beiden Richtungen mehr als 100 Fahrzeuge. Radweg außen gab es nicht…was tut man in einem WK?! Man rast einfach in der Mitte durch, ca. 1-1,50m breit. Die Autos wussten nix von einem WK und waren über die rund 500 nacheinander anrückenden Radler sichtlich verwundert. Viele standen sehr weit innen. Auch Busse und LKWs musste man so passieren. Es war verdammt gefährlich. Das ging etwa 3km so, dann konnte ich auf einen kleinen Radweg rechts außen ausweichen und die dortigen Fußgänger durch Schreien aus dem Weg befördern. Die Abfahrt zur Promenade verpasste ich trotzdem. Kein Ordner dort. Etwa 50m weiter hielt ich an, fragte einen Polizisten nach dem Weg und drehte um. Den letzten KM legte ich im Sprint zurück, um etwas Zeit wieder reinzuholen. Immerhin konnte ich sicher sein, dass es den Anderen nicht besser gegangen war. Mir taten die ODler bei doppelt so langem „Vergnügen“ leid…. leider musste der Rettungshelikopter 3- oder 4-mal ausrücken. Kein Wunder bei diesen Verhältnissen! Ich hoffe, alle Teilnehmer sind heil nach Hause gekommen.
Beim Laufen hatte ich zunächst einen Begleitradler bei mir, der unaufhörlich in die Pfeife blies und mir wenigstens etwas den Weg frei räumte. Dadurch, dass ich der Erste auf der Strecke war und es dort keine Hinweise auf einen Triathlon gab, waren die Menschenmassen völlig unvorbereitet und überrascht. Viele wichen erst in letzter Sekunde aus, oft musste ich zickzack laufen, berührte viele knapp. Das war wahnsinnig anstrengend. Etwa so, als wollte man es als Erster nach einem Hertha-Spiel in die S-Bahn schaffen. Ohne Begleiter hätte ich den Weg auch gar nicht erst gefunden. Immerhin sah ich nach der Wende, dass mein Vorsprung beruhigend war. Leider verabschiedete sich mein Begleiter nach der 1. von 2 Runden. Von jetzt an war es Slalomlaufen pur. Hier über eine Hundeleine gesprungen, dort die alte Dame erschreckt und auch mal jemanden weggeschupst. Sehr sehr ätzend… das Highlight war der letzte KM. In der engsten Kurve stand ein Ordner genau im Weg. Wir rasselten mit den Schultern gegeneinander, dann rannte ich ein Mädchen um. Eine Frau drehte sich schwungvoll um und schleuderte mir ihre Einkäufe entgegen. Erster Sturz. Ich berappelte mich. Da fuhr mir ein Junge mit Fahrrad von der Seite rein. Zweiter Sturz. Jetzt blutete ich am Unterarm. Aber das Adrenalin ließ mich weiterlaufen. Vor dem Ziel gab es auch keine Ordner. Ich verpasste den Kanal, musste ein letztes Mal umdrehen und 30m extra laufen. Dann kam ich knapp unter 1h ins Ziel. Völlig bedient! Spaßfaktor zero! Dem „Ach-was-haben-wir-hier-nicht-für-tolles-Jubiläum“-Sprecher war ich der denkbar ungeeignetste Interviewgast, aber hinterm Berg halten wollte ich mit meinen Erfahrungen auch nicht. Es war ein lausig organisiertes Event, was mir alle danach einlaufenden Athleten bestätigten. Ohne Vollsperrung der Radstrecke und neuer Planung der Laufstrecke ist die Durchführung unverantwortlich. Elke berichtete, dass die Laufstrecke später etwas freier gewesen sein soll, als sich die Leute auf den Strom von Athleten eingestellt hatten. Da spielten wir als erste Einzelkämpfer im wahrsten Sinne des Wortes den „Rammbock“. Oder um es mit den Worten des Zweitplatzierten, eines fast 2m großen Bundeswehrsoldaten, zu sagen: „Ick hab eenfach allet wegjeräumt, wat da so keuschte und fleuschte. Mansch eena liegt sischa jetzt noch im Jraben!“
Über den Sieg konnte ich mich deshalb nicht wirklich freuen, zumal nach fast 3h Wartezeit auch nur wieder das 3. Erdinger-Glas der Saison raussprang (hiermit werde ich jetzt einen Handel aufmachen). Elke bekam für ihren sehr guten 2. Gesamtrang über die OD bei den Frauen sogar nur eine Urkunde. Sie hatte sich nach toller Schwimmleistung (3.) beim Radfahren gewohntermaßen vorgearbeitet, ihre Spitzenposition dann aber im Laufen nicht ganz halten können. Dennoch ein tolles Resultat unter diesen Umständen.
Eine frühere Startzeit, z.B. am Morgen (es ging erst um 16.30 Uhr los) sowie eine Umdrehung von OD und SD hätte einige Probleme bereits von selbst beseitigt. Ansonsten wie gesagt, ohne Vollsperrung kann man dort in der Haupt-Touristen-Saison keinen Tri unter regulären Bedingungen durchführen. Erstaunlich, dass das bei einer solchen Traditionsveranstaltung bislang nicht beanstandet wurde.
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